Czeslaw Pradzynski geht für die LAV Zeven an den Start – Rekord von 1990 noch ungebrochen
Zeven. Der Olympia-Boykott der Sommerspiele 1984 in Los Angeles des Ostblocks traf Czeslaw Pradzynski (48) mitten ins Herz. Der Sprinter hatte das Ticket für die 4×100-Meter-Staffel der Polnischen National-Mannschaft in der Tasche. Statt der Teilnahme an den Spielen in den Vereinigten Staaten, ging er mit seinem Team in Moskau fast zeitgleich an den Start und holte dort Bronze (38,82 Sekunden). Den Umzug nach Bremervörde vollzog er auf Wunsch seiner Frau Eva 1989 und wechselte nur zwei Jahre später zur LAV Zeven. “Czeslaw hat mittlerweile viele Titel für uns geholt. Er gehört immer noch zu den besten Sprintern in Deutschland. Die 100 Meter Hürden bewältigt er schneller, als manch ein anderer in seiner Altersklasse die flache Strecke“, sagt Hans-Hermann Neblung. So war es der sportliche Leiter, der dem Sprinter den Wechsel zu den Leichtathleten des TuS Zeven schmackhaft machte. “Die Perspektiven waren für mich in Zeven einfach besser. Die LAV ist mittlerweile zu meiner zweiten Heimat geworden, hier fühle ich mich sehr wohl. Das Klima ist einfach prima“, sagt Czeslaw Pradzynski, der sich auf Bezirksebene in der M30 unsterblich machte. Die Rekordzeit von 10,74 Sekunden bei den Meisterschaften in Wunstorf (1990) ist bis heute ungebrochen. |
Für die LAV raste der polnische Wirbelwind in den Einzeldisziplinen über 100 und 200 Meter oder in der 100-Meter-Staffel von
Erfolg zu Erfolg und stand stets auf dem Treppchen. Die Gold-Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften 1995 (11,06 Se-
kunden) und 1996 (11,31) wurden zum Höhepunkt und sind der Lohn seiner intensiven Trainingsarbeit und seiner hohen läufer-
ischen Klasse. “Ich war nicht so talentiert wie andere, ich musste mir alles hart erarbeiten“, sagt der Bremervörder. Entdeckt
wurde der in Piece (50 Kilometer südlich von Danzig) geborene Athlet von seinem Sportlehrer Novak. “Er animierte mich für die
Leichtathletik und ich entschied mich für die 400 Meter. Im Sommer habe ich täglich trainiert, im Winter bis zu acht Mal. Wenn
ich heute darüber nachdenke, war es vom Umfang her zu viel. Da fehlte es an der Dosierung und den wichtigen Erholphasen.
Doch es stellten sich Erfolge ein. Mit 15 Jahren bin ich in meiner Kategorie in 51,07 polnischen Rekord gelaufen“, erzählt
Pradzynski. Das war der erste Schritt auf dem Weg ins Nationalteam.
Die erste Berufung für die Junioren erfolgte 1977. “Wir wurden stets für eine Woche zusammengezogen und haben sehr leist-
ungsorientiert trainiert. Der erste Auftritt im National-Trikot beim Länderwettkampf mit Rumänien und Bulgarien war eher schwach.
Ich war vor dem Start nervös und lief keine gute Zeit.“ Die erfolgreichste Zeit erlebte er von 1979 bis 1989, als er für den Tradi-
tions-Verein Gdingen startete. Durch die guten Resultate erhielt er eine staatliche finanzielle Unterstützung. “Ich war damals Profi
und erhielt vom polnischen Verband ein Stipendium. Das lief immer über ein Jahr. Danach wurden die Leistungen neu geprüft, um
weiterhin Geld zu bekommen“, sagt Pradzynski, der sogar den Kampf mit US-Star Carl Lewis aufnahm. Bei den Weltmeister-
schaften in Helsinki (1983) traf das polnische Quartett auf die USA-Boys.
Abstimmung und Harmonie
“Bei der WM waren gut 20 Staffeln am Start. In den Vorläufen konnten wir uns souverän gegen die Konkurrenz durchsetzen. Beim
Staffellauf ist es wichtig, mit den schnellsten Leuten an den Start zu gehen. Doch wichtig ist unter anderem die Abstimmung bei
den Wechseln. Eine gute Harmonie in der Truppe ist nicht zu unterschätzen. Wir waren ein verschworener Haufen und schafften
den Finaleinzug. Wir haben uns immer gut verstanden und uns am Rande der Wettkämpfe getroffen“, resümiert Pradzynski. Doch
an der Lewis-Crew kam das polnische Quartett nicht vorbei. “Wir erreichten Platz sechs und das war eine tolle Geschichte“, sagt
Pradzynski, der es auf stolze 13 nationale Meister-Titel brachte und Carl Lewis als sportliches Vorbild hatte.
In der LAV Zeven gibt er seit langem seine Erfahrungen weiter und trainiert den Nachwuchs. Der lizenzierte Coach betreut junge
Talente im Alter von 12 und 13 Jahren in der Disziplin Sprint und Hürden. Neblung: “Czeslaw hat einen sehr guten Draht zu den
Jugendlichen, die viel Spaß an seinem Training haben. Er hat früher die harte polnische Leichtathletik-Schule durchlaufen und
weiß leistungsorientiert zu arbeiten.“
Einen schweren Schicksalsschlag erfuhr die Bremervörder Familie mit den Kindern Agata (20) und Christoph (23) vor neun Jahren.
“Erst verstarb mein Schwiegervater und nur siebzehn Tage später traf uns der plötzliche Tod von meiner Frau Eva schwer. Bei ihr
hatte sich ein Blut-Gerinnsel im Kopf gebildet“, so Czeslaw Pradzynski, der als Laborant in einem Zevener Milchunternehmen
arbeitet und überlegt, ob er nicht in die Stadt am Walde umsiedelt. Der Kontakt zur polnischen Heimat ist derweil ungebrochen.
So reist Czeslaw Pradzynski regelmäßig in die 2000-Seelen-Gemeinde Piece, in der er seine Jugend erlebte und zunächst den
Crosslauf zum Hobby machte. In seinem Geburtsort leben die Mutter und sein Bruder, die er gern besucht.